„Wie kommt das Kind zu(m( Wort?“ - Ein Studientag an der Käthe-Kollwitz-Schule

Einen sehr gelungenen Studientag für die Berufspraktikant*innen der Fachschule für Sozialpädagogik richtete die Käthe-Kollwitz-Schule in Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Kinderbetreuung der Stadt Marburg sowie der Fachberatung des Bundesprogramm Sprach-Kitas aus. Und zwar ob der Ausgewogenheit von Praxisbezug in den verschiedenen Workshops des Vormittagsprogramms in Verbindung mit dem Vortrag von Frau Dr. habil. Haug-Schnabel zum Thema „Wie kommt das Kind zu(m) Wort?“. Dieser eignete sich zum Mitschreiben wegen der reichhaltigen Beispiele, wie eine positive Sprachentwicklung, die abhängig ist von dem diesbezüglichen Vermögen der die Kinder umgebenden Erwachsenen, in der KiTa gelingen kann.

Arbeiten im Workshop

Hierfür hatte Frau Haug-Schnabel über zwei Stunden Zeit und es war eine wirkliche Freude, die jeweilige Interaktion von Vortragender und Publikum zu beobachten. Mangels Uhr fragte Frau Haug-Schnabel mehrmals, ob sie denn noch Zeit habe, was das Publikum auch nach zwei Stunden noch freudig bejahte, weshalb ich kurz umreißen möchte, was m.E. diesem Vortrag u.a. an Wichtigem für die praktische Arbeit in den Einrichtungen zu entnehmen war:

Zunächst der Appell an uns, dass die Pädagogische Fachkraft ein/e professionelle/r Sprachbegleiter*in sein muss, was sie interessanterweise mit einem Beispiel aus Österreich unterstrich, wo es ein Programm zur Unterstützung der Bezugspersonen von Kindern depressiver Eltern gibt, um für die Kinder sprachfreie Phasen in Zeiten akuter depressiver Phasen zu vermeiden. Überhaupt lehrte Frau Haug-Schnabel den Blick über den deutschen Tellerrand, denn sie deutete etwa in Kürze an, was ein Programm in Südtirol, welches die Deutschsprachigkeit unterstützen soll für den Spracherwerb bei Mehrsprachigkeit zu leisten in der Lage ist, der auch und gerade in unseren Einrichtungen ebenso Thema ist, aber durch den veränderten Blickwinkel, wenn Deutsch nicht die Mehrheitsspache ist, sollte man die dortigen Erkenntnisse einmal in den Blick nehmen.

Die Pädagogische Fachkraft habe die Aufgabe, sich zu einer/m professionellen Sprecher*in zu entwickeln in Zeiten, in denen auch aufgrund des zunehmenden Arbeit der Studierendensprachlosen Konsums von digitalen Medien immer weniger Kommunikation stattfindet. Er/Sie möge das Kind anleiten in seinem Bemühen, alles verstehen und jedes neue Wort begreifen zu wollen und soll seinen Wortschatz anerkennend würdigen. Übermäßiges Korrigieren könne dagegen dazu führen, dass jedes neue Wort zu einem Stein des Anstoßes werden könne.

Für eine positive Sprachentwicklung seien kommunikationsfördernde Settings wie Morgenkreis und Kinderkonferenz zu pflegen. Allerdings in der richtigen Form. „Am schlimmsten“ seien Morgenkreise mit einem Bilderbuchlesen, wo vorgelesen werde und dann zwischendurch nach jeder Seite einmal kurz das Buch zur Bildbetrachtung in den Kreis geschwenkt werde und jedes Kind nur einen kurzen Blick erhaschen könne. Eine solche Bilderbuchbetrachtung sei keine pädagogische Leistung, sondern nur eine Übung zum passiven Konsumieren. Frau Haug Schnabel empfahl, auch einmal ein Bilderbuch ohne Text zu verwenden und mit den Kindern gemeinsam anhand der Bilder eine Geschichte zu entwickeln und das kreative Potential der Kinder zu nutzen und gleichsam sein eigenes Potential zu schulen in der Entwicklung von Situationen, die der fruchtbaren Kommunikation dienen.

An dieser Stelle möchte ich daher auf den Morgen des Studientages kommen und aus der Vielzahl der Workshops, von denen ich zwei besuchen konnte, einen herausgreifen. Den Workshops gemeinsam war, dass sie konzipiert und durchgeführt wurden von Praktiker*innen, die in Einrichtungen arbeiten, die am Bundesprogramm Sprach-Kitas teilnehmen. Interessanterweise gab es im Workshop, über den ich berichten möchte, unter den Durchführenden eine Quereinsteigerin, die sowohl als Buchhändlerin in einer Kinderbuchhandlung als auch in einer Schwerpunkt-Kita an der Umsetzung des Bundesprogramms Sprach-Kitas arbeitet.

Diese ist mittlerweile zur Buchhändlerin meines Vertrauens geworden, da es auf dem überreichen Buchmarkt für mich als baldigen Berufseinsteiger wirklich sehr schwer ist, nur anhand der Verlagswerbungen die Bücher zu finden, mit denen ich etwa meine Morgenkreise in der Kita, in der ich mein Berufspraktikum absolviere, bestreiten möchte: Was gute Bilderbücher angeht, die eine Offenheit in der Gestaltung zulassen, über die Geschichte hinaus zur Kommunikation anregen, aber etwa auch im Hinblick etwa auf gendersensibles Arbeiten ist eine Beratung sehr wünschenswert, womit ich keine Werbung für den ortsansässigen Buchhandel machen möchte (doch, eigentlich schon!) – obwohl es im Folgenden um den Inhalt des Workshops schildern zu können nötig ist, das dort bearbeitete Bilderbuch zu benennen: Es handelt sich um das Buch „Der wilde Watz“ des französischen Kinderbuchautors Edouard Manceau. In diesem wird eine Schreckensgestalt mit Hörnern, spitzen Zähnen, böse schauenden Augen (siehe Bild mit meiner Umsetzung auf schwarzem Hintergrund) dekonstruiert – und zwar im Wortsinn: Sie wird in ihre Einzelteile zerlegt und zu einem neuen nicht-schrecklichen Bild umgebaut.

Und dies war nun auch der Inhalt des Workshops, der vermitteln wollte, dass es durchaus sinnvoll und wünschenswert ist, vom in einem Buch gedruckten Bild ausgehend selbst gestalterisch aktiv zu werden. Im diesem Artikel beigefügten Bildmaterial ist das Ergebnis der Arbeit unserer Kleingruppe zu begutachten: Inspiriert von den Schnipselresten Anderer hat meine Kleingruppe eine Szene zusammengesetzt, in der ein Schiff zu einer tropischen Insel fährt, deren Vulkan ausbricht und aus den Einzelteilen der Explosion setzt sich dann die Figur eines fröhlichen Inselbewohners zusammen. Dafür hatten wir nur eine sehr kurze Zeitspanne und gerade dieses Setting: Ein Bilderbuch als Hinweis, was möglich ist und die Bereitstellung von Bastelmaterial für eine eigene Umsetzung ließen für mich diesen Workshop zu einer gelungen Inspiration für die eigene Arbeit werden.

Arbeiten der Studierenden

Als ich daher mit dem Buch „Der wilde Watz“ in die Einrichtung kam (es handelt sich dabei um eine altersübergreifende Einrichtung mit einigen U3-Kindern) und der Ansicht war, ich wolle auf einem schwarzen Untergrund eine eigene Version der bedrohlich wirkenden Figur „Der wilde Watz“ dekonstruieren, waren meine Kolleginnen und ich uns nicht sicher, ob es so gelingt, dass sich kein Kind gruselt, sondern der positive Effekt, dass ein Schreckgespenst „umgebaut“ wird und somit seinen Gruselfaktor verliert, eintritt.

Die Kinder unserer Einrichtung, die gerne auch mal „mit den Händen zuschauen“, wollten zwischenzeitlich diese Geschichte noch mehrmals hören und immer wieder den „wilden Watz“ zu einer friedvollen Idylle umbauen. Schon als ich der Figur die Hörner abbaute und zu einem Mond werden ließ, hatten die Kinder eine Ahnung, wie es weiterging und bereits beim ersten Vortrag der Geschichte konnte ich die Umbauarbeit schnell ganz in die Hände der Kinder geben und musste nur noch moderieren, was wann abgebaut und wohin gelegt werden sollte.

Es zeigte sich, dass der anfängliche Zweifel, ob man in einer Gruppe mit U3-Kindern eine Schreckgespenst-dekonstruktions-Geschichte nicht nur erzählen, sondern auch durchführen kann, nicht nur unbegründet war, sondern die Kinder selbst mit ihren eigenen Händen am Verschwinden des Monsters mitarbeiten wollten. Es zeigte sich geradezu ein Bedürfnis der Kinder, dem Gruselmonster einmal selbst die Hörner pflücken zu können.

Hieraus ergibt sich auch mein Fazit zu diesem Studientag: Gerade die Anordnung der Workshops am Vormittag, wo wir mit Praktikern, die das Programm zum Leben bringen in den Einrichtungen an deren Erfahrungen teilhaben konnten und dem Vortrag von Frau Haug-Schnabel am Nachmittag in dieser Reihenfolge (erst Praxis, dann Theorie mit positiver Bestärkung), die aufrief, Mut zu haben, die Kinder zu Wort kommen zu lassen und neue Formen der Vermittlung von Sprach- und Sprecherleben in den Einrichtungen zu generieren, war so, dass ich viele Anregungen in die praktische Arbeit mitnehmen konnte.

Jens Dirk Frömming