Interreligiöser Friedensweg zu Fuß

Studierende der Fachschule für Sozialwesen unterwegs

Auf die Spuren des „Friedenswegs der Religionen“, der gewöhnlich einmal im Jahr in Marburg stattfindet, begaben sich im März Studierende der Fachschule. Ziel war die Erkundungfsp 2021 collage wisdom solomong obong160321 alter und neuer religiöser Orte im Bereich der Marburger Innenstadt. Dabei sollten weniger die Fakten der jeweiligen Religionsgemeinschaften im Vordergrund stehen als vielmehr die Eindrücke vor Ort, die Wirkung von religiösen Gebäuden, Architektur und künstlerischen Darstellungen. Aufgabe war es, diese Eindrücke mit der Kamera künstlerisch einzufangen und anschließend zu präsentieren. Die besondere Aura die von jedem Ort ausging, war überall zu spüren. Fast alle Gebäude, ob Kirchen, Synagoge oder Moschee standen uns offen oder wurden für uns geöffnet. Während des vierstündigen Rundwanderwegs ergaben sich viele Gespräche zu zweit oder zu dritt über Gott und die Welt, das Heilige und das Profane. Persönliche Geschichten wurden erzählt und Assoziationen geweckt. Es ging um Glaube und Unglaube, Hoffnung, Vertrauen und Zweifel.


Die erste Station war die katholische Kirche Peter und Paul in der Biegenstraße. Hier beeindruckte uns der imposante moderne Innenraum mit den hohen Lichtschächten und dem Farbenspiel der Glasfenster. Auffällig war die Stille, oder genauer: der verhaltene Klang im Kontrast zum Verkehrslärm der Hauptverkehrsstraße vor der Tür, welcher nur noch als sanftes Rauschen gemischt mit undeutlichen Kinderstimmen aus dem angrenzenden Kindergarten wahrnehmbar war. Wir zogen weiter in die Oberstadt zur nächsten Station, der evangelischen Universitätskirche. Sie liegt gemeinsam mit der Alten Universität auf dem Felsen oberhalb des Rudolphsplatzes. Hier überraschte uns der Innenraum auf andere Weise: Zunächst das relativ dunkle Kirchenschiff mit Holzsitzbänken, dann der lichtdurchstrahlte gotische Hohe Chor mit vielen goldschimmernden expressionistischen Details, wie man sie vielleicht eher in einer katholischen als evangelischen Kirche erwarten würde. Besonders eindrucksvoll wirkte die riesige Orgel auf der Empore im Chorraum, die an die Flügel eines Engels erinnerte.
Wir machten einen Abstecher zum Ort der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge am Willy-Sage-Platz am Obermarkt. Die Ruine war lange unbekannt, wurde dann bei Grabungsarbeiten entdeckt und restauriert. Die ursprüngliche Höhe des Gebäudes lässt ein imposanter Glaskubus über der Ruine erahnen. Zurück über den Markt und den Hirschberg ging es weiter zum Garten des Gedenkens, einem bekannten Platz an der Universitätsstraße, auf dem bis 1938 die neuzeitliche Synagoge im byzantinischen Stil stand. Durch eine transparente Bodenplatte konnte wir die restaurierte Mikwe, das rituelle Tauchbad der Synagoge, einsehen. Nach kurzem Aufenthalt zog die Gruppe weiter zur Neuen Synagoge in der Liebigstraße im Südviertel. Die freundliche Angestellte im Büro schloss uns die Eingangstür auf und hieß uns herzlich willkommen. Eine ganze Weile saßen wir in den sehr bequemen Banksesseln und ließen den Gottesdienstraum, den Toraschrein und die Details der Einrichtung auf uns wirken. Vor allem fiel die farbenprächige, lichtdurchflutete Glasdecke in unseren Blick. Bei genauerem Betrachten konnte man verschiedene Musikinstrumente und hebräische Bibelverse erkennen. Mit bereits schweren Füßen gingen wir Richtung Lahn, passierten den Hirsefeldsteg und kamen zum buddhistischen Shambhala-Zentrum in Weidenhausen, Auf dem Wehr. In dem einladenden Hof flatterten in langen Reihen farbige tibetische Gebetsfahnen. Unsere letzte Station war die Neue Moschee in der Straße Bei St. Jost. Von außen eher funktional gehalten mit Kultur- und Bildungszentrum, Bistro und Studierendenappartments wirkte der zentrale Gebetsraum im Inneren sehr licht und einladend. Der wunderbare blaue Teppichboden hinterließ ein sehr angenehmes Gefühl unter den Füßen – wir hatten am Eingang unsere Schuhe ausgezogen – und die langen Fensterreihen aus blauem und weißem Bruchglas vermittelten einen surrealen Eindruck des Raums. Deutlich müde machten wir uns auf den Rückweg, vorbei am Alten jüdischen Friedhof mit Grabsteinen, die teilweise bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts zurückdatiert werden konnten, mit deutschen, hebräischen und russischen Inschriften. Schön das Ritual, beim Besuch eines Grabes auf dem Grabstein einen kleinen Kiesel zu hinterlassen!
Voller unterschiedlichster Eindrücke und Gesprächsthemen kamen wir am Ende unseres Rundgangs an, müde und erschöpft, aber doch erfüllt! In den nächsten Tagen sichteten wir die entstanden Bilder, erstellten Galerien und präsentierten diese schließlich. Ein Fazit zum Schluss: Die Marburger Innenstadt hat eine erstaunliche Vielfalt an religiösen Orten zu bieten und zeigt wie (inter-)religiös lebendig Marburg ist. Das war bereits in früheren Zeiten so, gilt aber heute mehr denn je.

Text: Jörg Rustmeier