Sonntag, 28.10.2018

"Alergați ca vacile dar nui tropăiți"
(Er läuft wie die Kühe, aber stampft nicht)
Rumänisches Sprichwort
oder
Rezept für Sarmale: Ein Tag auf dem Land

In der Nacht zum 28.10. befand ich mich etwa 20 Kilometer vom Epizentrum eines Erdbebens der Stärke 5,5 entfernt. Allerdings war dieses in einer großen Tiefe, weshalb ich die Auswirkungen davon wachwerdend nur in der Form bemerken konnte, dass alle Tiere in den umliegenden Gärten eine Weile einen ziemlichen Radau veranstaltet haben und es mir eigentümlich erschien, dass um kurz nach 3 Uhr in der Nacht der Hahn kräht.
Wobei der anbrechende Sonntag, der mit einer Fahrt aufs Land ausgefüllt war, deutlich Zeiten beinhaltete, in denen Schwanken durchaus eine Körperbewegung war, die nicht ausgeschlossen werden konnte aufgrund der exzellenten Bewirtung durch Familie Șoroștinean mit Kirschlikör, Selbstgebranntem und einem im eigenen Keller erzeugten, sehr wohlschmeckenden Weißwein. Das rumänische Sprichwort „Alergați ca vacile dar nui tropăiți“ (Er läuft wie die Kühe, aber stampft nicht) war daher durchaus treffend, als es geäußert wurde.

Herzlichen Dank daher an Corina Popa, die Leiterin des Kindergartens, in dem wir Praktikum machen, dass sie uns zu Freunden nach Cenade mitgenommen hat. Schon die Fahrt durch eine wunderschöne Endmoränenlandschaft war genauso schön wie das Wetter und ein weiterer Punkt auf meiner To-See-In-Romania-Liste konnte ich erledigen, denn die Fahrt im Kleintransporter wurde kurzzeitig unterbrochen durch eine die Straße kreuzende Herde von Ziegen.

Endmoränenlandschaft in der AbendsonneZiegenherde

Unterwegs besichtigten wir ein Kloster und es war sehr interessant zu bemerken, wie die Strasse ab Abzweigung zum Kloster plötzlich in einem einwandfreien Zustand war, obwohl sie dort endete, die Verbindungsstrasse sich jedoch nach gehörigen Ausbesserungsarbeiten sehnte.

Kloster

Aber auch das relativ neu erbaute Kloster selbst zeigte, was Spendengelder der Gläubigen vermögen. Dies war allerdings bei weitem nicht der erbauliche Höhepunkt dieses Ausflugs, da nach der Ankunft in Cenade, wo die sonntägliche Liturgie gerade vorbei war, die Gelegenheit bestand, eine griechisch-katholische Kirche (eine von der rumänisch-orthodoxen Kirche abgespaltene, eigenständige Kirche, die den Papst in Rom als Oberhaupt anerkennt und deshalb zu den sogenannten mit Rom unierten Kirchen zählt, jedoch nach dem Ritus der östlich-orthodoxen Kirchen die Chrysostomosliturgie feiert) mit einer sehr interessanten Ausmalung zu besichtigen und mit dem Priester ins Gespräch zu kommen.

Cenade in Rumänien im GegenlichtJens und Priester vor Ikonostase

Bereits an der Außenfassade waren nach Art von ikonographischen Heiligenbildern gemalte Bildnisse von Sokrates, Solon von Athen und anderen griechischen Philosophen zu erkennen und es wurde mir vom Priester die Erklärung gegeben, dass diese Häupter der griechischen Philosophie ebenso wie die Propheten des Alten Testamentes das Kommen Christi vorbereitet hätten mit ihrer Philosophie.

Im Portikus (Vorhalle/Eingangsbereich in dem sich klassischerweise die noch Ungetauften aufhalten) der Kirche war eine sehr eindrucksvolle bildliche Schilderung der Hölle zu besichtigen.
Die Verbindung der griechisch-katholischen Kirche mit Rom war spätestens daran deutlich, dass es neben anderen klar katholischen Heiligen eine Ikone von Johannes Paul dem Zweiten gab, was mir bis dahin noch nicht begegnet war – ist dieser ja auch noch nicht sehr lange überhaupt in den Kreis der Heiligen aufgenommen.

Portikus: HöllendarstellungPortikus: HöllendarstellungIkone Johannes Paul II.

Ein weiterer Höhepunkt des Dorfrundganges, der die Zwischenzeit zu überbrücken hatte, bis wir zum angekündigten zentralen Akt des Tages kamen, war die Besichtigung der heute nur noch am Namenstag der der Kirchenburg zugeordneten Heiligen Peter und Paul für den evangelischen Gottesdienst genutzten Kirchenburg, da diese, nachdem der Turm schon seit geraumer Zeit abgebrochen war, über einen Glockenturm verfügte, der aus einer freistehenden Holzkonstruktion besteht.

Glockenturm

 

Rezept für Sarmale

Nun aber zum eigentlichen zentralen Akt des Tages, denn zwischenzeitlich waren die für uns vorbereiteten Sarmale (Krautwickel) fertig gekocht, welche wir uns zum selbstgekelterten Wein des Hausherren schmecken ließen – um dann in der Küche eben jene Sarmale selbst herzustellen, die wir schließlich mitnahmen und am kommenden Donnerstag unserem besuchenden Lehrer Herrn Rustmeier als Willkommensessen servieren werden.

Sarmale

Das Rezept ist wie folgt:

Auf Mengenangaben wird hier verzichtet: Von allem nach Gefühl viel und reichlich!

  1. Zwiebeln werden fein gehackt und gedünstet. Ungekochter Reis und etwas Tomatenmark werden hinzugegeben und ebenso angedünstet, bevor man die entstehende Masse abkühlen lässt.
  2. Dann wird die Zwiebel/Reis-Masse mit dem Hackfleisch unter Zugabe eines Eies (oder auch nicht – da herrschte eine gewisse Uneinigkeit hinsichtlich der aufeinandertreffenden Sarmale-Familientraditionen) gemischt, mit Pfeffer und Salz abgewürzt (Vorsicht! Der Speck und das letztlich noch hinzugegebene Kassler sind schon salzig!) und es entsteht die Füllung der Sarmale.
  3. Auf den Boden eines Topfes wird ein gehöriges Stück Speck oder Bauchfleisch gelegt und mit Lorbeerblättern angeröstet. Jene Reste des Kohls, welche nicht Blätter sind, die groß genug sind, um damit Krautwickel zu rollen werden feingehackt als Bett für die Sarmale dazugegeben und ebenso mit Röstaromen veredelt. Der Kohl ist übrigens gegorener Kohl, wie man ihn bei uns auch eingelegt erwerben kann. Durch das Säuern ist er schön weich und die Blätter eignen sich ohne Vorblanchieren zum Einrollen. Übrigens schmeckt das entstehende Endprodukt keineswegs sauer, sondern wunderbar herzhaft!
  4. Die aus dem Kohlkopf herausgelösten Kohlblätter lege man sich nun auf die Hand und eine gehörige Menge Füllung darauf. Nun wickle man mit dem festeren Ende des Blattes beginnend den Kohl um die Füllung und zwar so, dass letztlich die losen Seitenteile einfach seitlich mit dem Zeigefinger in die Hackfleischmasse gestopft werden können – umständliches Stecken mit Spießen oder gar mit Faden umwickeln entfällt.
  5. Denn die Sarmale werden nun in den Topf auf das angedünstete Krautbett gelegt, so dass sie ringsum in einem Ring geschichtet werden. In die freibleibende Mitte stecke man heißgeräucherte Kasslerstreifen, die beim Kochen ihren Geschmack an die Sarmale abgeben und gleichsam dazugereicht werden.
  6. Da man die Sarmale im Topf immer höher kreisförmig schichtet, besteht nicht die Gefahr, dass sie wieder aufgehen. Umschichten, umdrehen oder ähnliches ist überhaupt nicht nötig. Das ganze wird nun mit Wasser aufgegossen und bei mittlerer Hitze mindestens eine halbe Stunde köcheln gelassen. Der Speck auf dem Topfboden verhindert mit seinem Fett ein Anbrennen und somit ist das Gericht eine Freude des/der KöchIn, weil es keiner besonderen Beaufsichtigung oder weiteren Handelns bedarf.
  7. Gereicht werden Sarmale mit Saurer Sahne und gern auch dazu dünngeschnittene eingelegte scharfe Paprika.

Guten Appetit!

Herstellung von SarmaleHerstellung von Saramle

Zum Abschluss des Tages konnten wir unsere dem reichlichen Essen und den damit verbundenen weiteren Genussmitteln geschuldete Trägheit noch durch die Mitarbeit beim Befüllen des Lieferwagens mit über einem Meter schönstem Eichenholz ablegen und auf der Heimfahrt feststellen, dass fast jedes Dorf, durch das wir auf der Rückfahrt nach Sibiu kamen ob seiner Sehenswürdigkeiten einen Zwischenstopp wert gewesen wäre (z.B. der beeindruckende Burgberg von Stolzenburg).

Rumänien ist unbedingt eine Reise wert und ich bin sehr glücklich, hier zu sein!

Text und Fotos: Jens Frömming