Text der Monate März / April

Wind im Pony

von Sarah Sartor (12FOS3, WPU Kreatives Schreiben)

Ich fahre

Ich bin vielleicht drei oder vier Jahre alt und so mutig, es endlich zu versuchen.


Ich sitze fest und entschlossen auf dem Sattel. Meine Hände feucht und zittrig, doch die Griffe halte ich ganz fest umschlossen.
Vor mir ein langer geteerter Fahrradweg, der mir unendlich lang erscheint. Auf der rechten Seite eine große grüne Hecke, die das Haus meiner Großeltern verdeckt. (Heute weiß ich, dass sie gar nicht so groß gewesen sein kann, doch damals sah ich die Welt nun einmal aus einer ganz anderen Perspektive.) Hinter mir mein Großvater, der mit seinen großen Händen den Gepäckträger des Fahrrads umfasst. Zu meiner Linken steht meine Großmutter. Sie schaut mir freudestrahlend in die Augen und klatscht in die Hände.
Die Sonne strahlt mir ins Gesicht, der Wind weht mir durch mein Pony und ich rieche den Duft von Großvaters Parfüm; sehr stark aber angenehm. Leise höre ich ihn flüstern: "Diesmal schaffst du es ganz alleine. Drei, zwei, ..." Bei eins schiebt er mich mit zwei großen Schritten in Richtung meiner Großmutter. Ich bin voller Freunde und Zuversicht und trete so kräftig in die Pedale, wie ich kann.

Ein Meter, zwei Meter, drei Meter.

Der Wind weht mir dabei so sehr in die Augen, dass mir dicke Tränen die Wange entlanglaufen. Doch ich behalte sie auf, um mindestens bis zu der großen grünen Eiche zu kommen. Voller Euphorie klingel‘ ich zweimal an der Fahrradklingel und jeder Ton erfüllt mich mit purer Begeisterung. Die Stimme meiner Großmutter wird immer leiser und ihr Klatschen ist für mich kaum noch zu hören. Allmählich hört der geteerte Fahrradweg auf und ich beginne zu schwanken. Der Griff entgleitet meiner Hand, zunächst der Rechte dann der Linke. Ich falle zu Boden.
Meine Knie schmerzen und meine Großmutter rennt mir panisch entgegen, doch ich bin einfach nur glücklich.Endlich habe ich es geschafft. Das erste Mal ganz alleine.

Oft denke ich an diesen Moment zurück. Wie schön es war. Wie schön es war, mein Ziel für einen Moment erreicht zu haben, auch wenn ich zum Schluss am Boden lag. Ich war so überwältigt von meinem Glück, dass nichts hätte kommen können, was mir dieses Gefühl hätte nehmen können.

Wie schön es wäre, so etwas noch einmal zu empfinden. Mit so wenig, so zufrieden sein zu können.